Brauchtum und Rituale zu Silvester

Dos and Don’ts zum Jahreswechsel

Für die Zeit der geheimnisvollen zwölf Nächte um die Wintersonnenwende und damit insbesondere für deren Höhepunkte zu Silvester und Neujahr gibt es im Brauchtum eine Reihe von Ritualen, aber auch Verboten, die dazu beitragen sollen, dass man den Übergang von dem alten Jahr ins neue Jahr gut übersteht. Die Sonne hat zur Zeit der Wintersonnenwende den größten Abstand zur Erde, bevor sich Erde und Sonne danach für einen neuen Jahreslauf wieder zunehmend annähern. Der Kalender zeigt, dass ein Jahr zu Ende geht und ein neues Jahr beginnt. Jetzt kommt es darauf an, dass das Leben in der dunklen Zeit nicht aus der Bahn gerät. In den Ritualen zu Silvester und Neujahr soll das alte Jahr verabschiedet und das neue Jahr begrüßt werden. Böse Geister sollen vertrieben werden. Das Glück soll für das neue Jahr eingeladen werden.

Feuerwerk in blau
Bild: Feuerwerk in blau

Diese Zeit des Übergangs vom alten in das neue Jahr ist eine Zeit, in der der Alltag unterbrochen ist. Schon die Germanen begingen die Sonnentage mit Feuerfesten und auch die alten Römer feierten mehrtägige Jahresendfeste.

Da man davon ausging, dass in dieser dunklen Zeit die Grenze zwischen der bekannten Alltagswelt und der anderen Welt der Geistwesen und Dämonen durchlässiger ist, drohten durch die Wesen der Geisterwelt auch Gefahren. Es waren also nicht nur Kälte und Dunkelheit, die die Menschen dazu brachten, in der Zeit zwischen der Wintersonnenwende und dem 6. Januar ihre Arbeit ruhen zu lassen und sich ins Haus zurückzuziehen, sondern auch die Angst vor dem wilden Treiben der Geister. So wurde die Zeit zwischen den Jahren auch zu einer Zeit der Ruhe, der Besinnung und der Gemeinsamkeit.

Was man besser nicht tut

Keine Wäsche waschen

Manche alltäglichen Arbeiten konnten besonders gefährlich werden und sollten daher bis zum 6. Januar unbedingt vermieden werden. Noch heute kennt man Überlieferungen, nach denen bis zum 6. Januar keine Wäsche gewaschen oder im Freien aufgehängt werden sollte.

Nach der germanischen Mythologie ist in dieser Zeit ein wildes Heer von Reitern unterwegs, die durch die Luft fliegen. Man hört sie, wenn der Sturm um die Häuserecken fegt und dabei schauerlich heult. Angeführt wird das Heer von dem germanischen Gott Odin und von Frau Holle, in anderen Überlieferungen ist es Wotan, der an der Spitze des Heeres reitet. Sie führen auch Seelen der Toten in ihrem Heer mit sich.

Wenn vor dem Haus Wäscheleinen gespannt sind oder gar Wäschestücke daran hängen, so können sich Dämonen und Geistwesen darin verfangen und bleiben dann in der Nähe des Hauses. Schlimmer noch ist es, wenn Frau Holle ein Stück der Wäsche zu greifen bekommt. Dann reißt sie es herunter und macht daraus ein Leichentuch für eine Person aus dem Haushalt. Wer gerade die Wäsche aufhängt, während Odin und sein Heer vorüberfegen, läuft selbst Gefahr, von ihnen mitgerissen zu werden.

Also, Silvester lieber keine Wäsche waschen oder zumindest nicht im Freien aufhängen!

Wenn die Sonne ruht, soll auch die Arbeit ruhen

Nach einer Vorstellung aus der Urzeit der Menschheit war die Sonne an ein Rad gebunden, an dem die Götter sie um die Erde drehen. An Silvester lassen die Götter dieses Rad ruhen. Deshalb sollen auch die Menschen an diesem Tag ihre Arbeit liegen lassen.

Keine Krabben essen

Wer abergläubisch ist, der sollte auf den Verzehr von Krabben zu Silvester lieber verzichten. Zwar sind Krabben-Salat und Krabbencocktail durchaus beliebte Silvester-Häppchen, aber man sollte eventuell vorsichtig sein. Krabben sind Meeresbewohner, die bekannterweise seitwärts laufen. Möchte man im Neujahr lieber vorwärts kommen, als seitwärts gehen, dann lieber darauf verzichten.

Was man tun sollte

Abwehr von Geistern und Dämonen

Allerdings war man der Macht der Geister und Dämonen, so furchterregend sie auch auftraten, nicht hilflos ausgeliefert. Viele traditionelle Bräuche zu Silvester und Neujahr sind darauf ausgerichtet die Geisterwesen zu vertreiben oder zumindest zu besänftigen. Stellte man beispielsweise bestimmte Opfergaben vor die Tür oder unter einen Baum (etwa Brot, Gebäck, Erbsen oder Milch), so konnten Odin und Frau Holle damit milde gestimmt werden.

Mit Schall und Rauch gegen Geister

Ein altes Reinigungsritual, das heute nicht mehr so verbreitet ist, war das Beräuchern von Wohnräumen und Ställen mit Weihrauch oder wohlriechenden Kräutern, am besten mit Wacholder und Salbei. Es diente nicht nur der Hygiene, sondern sollte auch unliebsame Geister verjagen.

Vor allem aber galt Lärm schon bei den Kelten und den Germanen als wirksames Mittel, um Geister und Dämonen zu vertreiben. Alles, was laute Geräusche erzeugt, ist also geeignet, den ungebetenen Gästen den Garaus zu machen. Man benutzte Rasseln, Peitschen oder Schellen. Daraus haben sich zahlreiche, regional unterschiedliche Silvesterbräuche entwickelt. Am weitesten verbreitet sind die Feuerwerke, die überall um zwölf Uhr Mitternacht gezündet werden. Sie machen nicht nur Krach, sondern leuchten auch weithin sichtbar am dunklen Winterhimmel. Auch das Zünden von Böllern ist eine Methode, unliebsame Geister das Fürchten zu lehren. Und die Kirchenglocken, die lautstark das neue Jahr einläuten, erfüllen ebenfalls diesen Zweck. Gerade das Feuerwerk und die Kirchenglocken dienen jedoch nicht nur der Geisterabwehr. Sie sind auch Ausdruck der Freude über das neu anbrechende Jahr, das gebührend begrüßt werden soll.

Vielerorts werden traditionell lärmende Umzüge veranstaltet oder verkleidete Gestalten ziehen mit Getöse durch die Straßen und verjagen die Unholde. In Norddeutschland kennt man das Rummelpottlaufen, bei dem Kinder sich am Silvesterabend verkleiden und mit dem „Rummelpott“ („Brummtopf“) singend durch die Straßen ziehen. Sie tragen einen Tontopf, über den eine Schweinsblase mit einer Öffnung gespannt ist, aus dem ein Stück Schilfrohr herausragt. Wird dieses Rohr mit den Handinnenflächen gedreht, entsteht ein brummendes Geräusch. Beim Neujahrs-Hämmern in Westfalen versammelt sich der Schmied mit seinen Gesellen um den Amboss und hämmert das alte Jahr mit gleichmäßigen Schlägen aus.

Der Blick in die Zukunft

Viele typische Silvesterbräuche sind durch den Wunsch entstanden, vor Beginn eines neuen Jahres einen Blick in die Zukunft zu werfen. So wurde es zur festen Tradition, Orakel zu befragen, wie sich die Dinge im kommenden Jahr wohl entwickeln werden. Viele dieser Orakel sind inzwischen zu einer Art Gesellschaftsspiel am Silvesterabend geworden, mit dem man die Wartezeit bis Mitternacht ausfüllt.

Eines der bekanntesten Orakelspiele ist das Bleigießen. Dabei wird eine Bleifigur auf einen Löffel gelegt und über einer Kerze geschmolzen. Ist das Blei flüssig, wird es blitzschnell aus dem Löffel in ein Gefäß mit kaltem Wasser gekippt. Beim Abkühlen bildet sich eine neue Form aus, die dann Hinweise auf wichtige Ereignisse im neuen Jahr geben soll. Beim Deuten der Figuren kann jeder seiner Fantasie freien Lauf lassen. Dadurch wird das Bleigießen auf Partys zu einem lustigen Zeitvertreib, an dem alle Gäste teilnehmen können.

Leider ist das mit dem Bleigießen nun aber auch Geschichte, eine Tradition, die nicht mehr zelebriert werden kann und darf. Ab April 2018 gelten durch die EU-Chemikalienverordnung neue Grenzwerte und sämtliche Sets zum Bleigießen sind verboten. Allerdings gibt es eine sehr ähnliche Alternative: Wachsgießen oder Zinngießen. Wer also nicht ganz auf die Tradition verzichten will, der kann umsteigen.

Beim Pendeln lässt man einen Gegenstand an einer Kette oder Schnur herabbaumeln und stellt dazu eine Frage. Dreht sich das Pendel im Uhrzeigersinn bedeutet das ‚ja‘, dreht es sich in die andere Richtung, heißt das ‚nein‘.

Und was ist, wenn die Botschaft des Orakels nicht gefällt? Das ist kein Grund, sich die Stimmung verderben zu lassen. Eine Drehung um die eigene Achse verwandelt schlechte Vorhersagen in gute. Und vielleicht kann zusätzlich auch noch ein Glücksbringer helfen.

Glücksbringer

Auf vielerlei Weise versucht man traditionell in der Silvesternacht und am Neujahrstag das Glück für das neue Jahr einzuladen. Dazu werden gern Glücksbringer in Form von kleinen Gegenständen oder Speisen verschenkt oder in geselliger Runde als Dekoration auf den Tisch gebracht.

Kleeblatt, Münze und Marienkäfer

Viele kleine Glücksbringer sollen als Dekorationsobjekte oder kleine Geschenke die gegenseitigen Glückwünsche unterstreichen.

Einige Figuren sind besonders beliebt: der Marienkäfer, der nach der Gottesmutter Maria benannt wurde, gilt als Glückskäfer. Er steht für Erfolg, Reichtum und Fruchtbarkeit und soll zum Heilen von Krankheiten beitragen.

Das vierblättrige Kleeblatt ist schon deshalb etwas Besonderes, weil es nicht häufig vorkommt. Seine vier Blätter stehen für die Kreuzigung Christi. Damit erinnern sie an die Auferstehung und das Erlösungswerk Christi und sollen vor allem Bösen schützen. Nach einer anderen Überlieferung hat Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies ein vierblättriges Kleeblatt mitgenommen. Das vierblättrige Kleeblatt ist vor allem dann ein Glücksbringer, wenn man es zufällig findet und nicht danach sucht.

Glücksschweine

Das Glücksschwein gilt als Zeichen des Wohlstands und der Fruchtbarkeit, während das Hufeisen ein Zeichen der Kraft und des Schutzes von Haus und Hof ist (vorausgesetzt man hängt es mit der offenen Seite nach oben auf). Ein sehr bekannter Glücksbringer ist auch der Schornsteinfeger. Das hängt zum einen mit seinem Beruf zusammen, der dazu beiträgt, Brände zu verhindern, andererseits gilt er als derjenige, der den Weg von der Erde zum Himmel bereitet. Eine Münze als Glücksbringer verheißt Reichtum, denn durch sie hat der Beschenkte immer Geld im Portemonnaie. Außerdem steht die Münze dafür, dass aus einem kleinen Anfang etwas Großes entstehen kann. Verwendung dafür finden oft Glückspfennige oder "neu" Glückscents.

Karpfen und Krapfen - typische Silvesterspeisen

Die Speisen, die in der Silvesternacht auf den Tisch kommen, sollten mit Bedacht gewählt werden. Denn auch hier gibt es Glücksbringer, die im neuen Jahr für Wohlstand und Harmonie sorgen. Wer auf Reichtum im neuen Jahr hofft, sollte Linsensuppe essen. Die Form der Linsen, die an Münzen erinnert weist auf möglichen Geldsegen hin. Wer also viele Linsen isst, wird auch viele Münzen in der Tasche haben. Ähnlich ist es mit dem Sauerkraut. Wenn viel Kraut im Topf ist, wird es viel Geld geben.

Auch der Silvesterkarpfen ist ein Bote des Wohlstands. Wer eine Schuppe des Silvesterkarpfens im Portemonnaie trägt, wird das ganze Jahr über Geld darin haben.

Einen Vorgeschmack auf eine gute Zukunft geben die süßen Speisen. Wer am Neujahrstag in Honig geschwenktes Obst isst, kann im neuen Jahr freudige Ereignisse erwarten. Süße Krapfen verheißen ebenfalls Gutes für das neue Jahr. Ein süßer Kranz lässt Liebe erwarten und steht für Erfolg und Gemeinsamkeit.

Doch nicht alle Silvesterspeisen müssen eine symbolische Bedeutung haben. In Deutschland sind vor allem am Tisch zubereitete Gerichte wie Fondue oder Raclette für das Silvester-Dinner sehr beliebt (die natürlich durch die oben genannten Speisen ergänzt werden können). Sie eignen sich besonders gut, um viele Stunden gemeinsam gemütlich am Tisch zu verbringen. Außerdem bieten sie viel Auswahl an verschiedenen Speisen, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist.

Das klassische Getränk für die Silvesternacht ist der Sekt oder Champagner, mit dem man nach Mitternacht auf das neue Jahr anstößt. Das Prickeln im Glas ist ein Ausdruck fröhlichen Feierns und gibt der Freude über das neu anbrechende Jahr Ausdruck.

Silvesterpunsch und Feuerzangenbowle sind warme Getränke, die vor allem der Geselligkeit dienen und nebenbei die Kälte vertreiben.

Letzte Änderung: 28.11.2021